Schmicklers schwerer Auftritt- Küchengespräch zwischen Künstlern und Gästen
Lünen, 21.12.2012 von Diethelm Textoris
Lünen."Ich habe Lust, mit der Sprache zu spielen, mir ungewöhnliche Formulierungen auszudenken", gestand Wilfried Schmickler im "Küchengespräch" nach seiner Vorstellung im Heinz-Hilpert-Theater. Hierzu hatte Barbara Höpping vom Förderverein ihn zusammen mit einer kleinen Anzahl von Besuchern in die Küche hinter den Künstlergarderoben eingeladen. In der Enge und unmittelbaren Nähe erlebten die Beteiligten die Person, die hinter dem Künstler Schmickler steckt: Sensibel, offen, engagiert, sozial eingestellt, einfach menschlich. Zunächst erzählte er, wie schwer ihm der Auftritt gefallen sei, schilderte familiäre Probleme, die ihn im Augenblick belasten. Die Zuhörer waren überrascht, denn auf der Bühne hatten sie das dem Profi nicht angemerkt. "Ich hatte einige Versprecher, die mich auf der Qualitätsskala von 0 bis 100 um einige Punkte zurückgeworfen haben", meinte er selbstkritisch.
Zum Kabarett sei er vor etwa 30 Jahren gekommen, "weil ich nichts anderes konnte." Seinen Gesang bezeichnete er nicht als solchen. Er sei aber ein guter Tänzer, tanze gerne, denn das sei wie Joggen zu zweit. "Am Anfang bin ich, wie viele meiner Kollegen, mit meinem Programm durch die Jugendzentren getingelt. Das machte unheimlich Spaß, obwohl es nur wenig Geld dafür gab." Das habe er aber nicht vermisst. Seine Wohnungsmiete sei nur 70 DM gewesen, "und wenn man seine Ansprüche zurückschraubt, kann man auch mit wenig Geld glücklich leben."
Dann berichtete er von seiner Fernseharbeit für die "Mitternachtsspitzen" und von seiner Glanzrolle als Loki (Schmidt). "Eigentlich sehe ich ja dem Helmut viel ähnlicher, aber als ich die Perücke aufhatte und geschminkt war, blickte mir aus dem Spiegel eine Frau entgegen. Und den 'Smokie' hat ja auch dann der Uwe mit seiner großen Begabung vorzüglich gespielt." Gemeint ist Uwe Lyko, bekannt als Herbert Knebel. Zum Schluss verriet Schmickler, warum er schon seit 2009 Mitglied des Lüner Theaterfördervereins ist: “Sie haben hier ein wunderschönes Theater, ein einzigartiges Haus, in dem ich immer gerne auftrete. Beim augenblicklichen Sparzwang der Kommunen ist so ein Haus schneller zu, als man denkt.“ In diesem Zusammenhang lobte er alle privaten Initiativen, bei denen Idealismus und nicht Bürokratismus vorherrsche.
(Copyright Diethelm Textoris)
Wilfried Schmickler: "Ich weiß es doch auch nicht"
Lünen, 21.12.2013 von Diethelm Textoris
Lünen. „Was soll man nur machen, wenn man doch nichts machen kann?“ Diese Frage stellte Wilfried Schmickler am Mittwochabend im ausverkauften Heinz-Hilpert-Theater. Der Titel seines Programms gab auch gleich die Antwort: „Ich weiß es doch auch nicht“. Und doch. Er weiß, wo die Missstände in unserer Gesellschaft liegen. Unter den politischen Kabarettisten ist er einer der unerbittlichsten Kritiker. Sicher hatte er wie seine Berufskollegen alles witzig verpackt, aber allzu oft steckte dahinter bitterer Ernst. Und wie sehr er vielen Zuhörern aus der Seele sprach, das bewies der immer wieder einsetzende Zustimmungsapplaus.
Schmickler verteilte Rundumschläge, doch die trafen punktgenau: Manager, die ihre Bezüge mit dem Ausmaß ihres Versagens steigern, Inhaltsleere Talkshows, Ignoranz und Unfähigkeit der Politiker. „90% der Abgeordneten stimmen bei den Euro-Rettungsgesetzen zu und wissen gar nicht, worum es geht.“ Im Übrigen bewundert er „die hohe Kunst der Wachkomas im Parlament.“ Den Zustand der SPD charakterisiert er mit der Beschreibung, wie Bebel, Schumacher und Brandt sich im Sarg umdrehen. Für die Piraten reicht: „Stecker rausziehen und warten, bis der Akku leer ist.“ Unter dem Motto „Es kann doch nicht sein, dass…“ zählte er all die Dinge auf, die trotz Sozialstaatsanspruch Wirklichkeit sind: die Schere zwischen arm und reich, 4,5 Millionen Hartz IV Empfänger, 7,3 Millionen Niedriglohnempfänger, 10% der Bevölkerung haben 61% des Vermögens, die ständig steigende Altersarmut. Sensibel reagierte auf bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen, prangerte „musikalische Gewaltverbrecher“ an, sprach von „digitaler Demenz“, bedauerte den Verlust der Gesprächskultur und kritisierte das Bemühen der Eltern, aus jedem Kindergeburtstag ein „Mega-Event“ zu machen.
Statt des Spielchens „Künstler geht von der Bühne, kommt raus, verbeugt sich, Publikum fordert Zugabe“ präsentierte er zum Schluss sein wohl stärkster Stück, das in sprachlicher und analytischer Hinsicht den Werken von Kurt Tucholsky in nichts nachsteht, das Lied von der Gier, zu der sich Neid und Hass gesellen. „Und sind die erst einmal zu dritt, fehlt nur noch ein ganz kleiner Schritt, bis dass der Mensch komplett verroht und schlägt den anderen halbtot.“
(Copyright Diethelm Textoris)

Fotos Diethelm Textoris |