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Jakobsweg-Camino Francés nach Santiago
Fortsetzung Juni 2009  


diethelm_textoris_camino2

Ich bin wieder weg

Wie geht es weiter? So hatte ich mich gefragt, nachdem ich 60 km vor Santiago und 155 km vor Finisterre wegen der Netzhautablösung im rechten Auge meine Tour abrechen musste.(vgl. Jakobsweg 1)

Tex im Hospital

Inzwischen kann ich alles wieder recht klar und auch räumlich gut sehen. Ich habe vom meinem Augenarzt Dr. Matthias Gockel grünes Licht bekommen klar: "Sie dürfen sich ruhig wieder voll belasten. Es ist alles gut verheilt. Achten Sie nur darauf, ob die Krankheitssymptome wieder auftreten."

Am 16. Juni geht es los. Ich fliege direkt nach Sanitago und fahre dann mit dem Zug Sarria. Ich werde die Strecke dort fortsetzen, wo meine Krankheit begann, denn an den Krankheitstagen habe ich im wahrsten Sinne des Wortes nicht viel gesehen. Habe zwei Wochen eingeplant, so dass ich das Ganze gemütlich angehen kann und auch noch Zeit habe, nach Fisterre und Muxia zu gehen. Ich hoffe, dass ich auch etwas gelernt habe. Mein Rucksack gleicht diesmal einem Fliegengewicht. Er hat weit unter 10 Kg. Den Fortgang der Reise kann man an dieser Stelle verfolgen.

 

Schön ist die Welt,
drum, Brüder, lasst uns reisen
wohl in die weite Welt.
Wir laben uns
an jedem Brunnenstrahle,
wo frisches Wasser fließt.

[Modernere Textvarante Maximilian Bogner A.d.R.]

16.06.2009 per SMS um 19:36
die anreise war nicht ganz optimal. in duisburg war der anschluss ein ice, das hiess 20 euro nachzahlen. in köln hbf ankunft in der nacht, wartungsarbeiten bei mc doof, burger king ohne wc. mc clean hatte chemie- und wasserfreie toiletten, die es erlaubten, beide hosenbeine gleichzeitig nass zu pinkeln. der rest der anfahrt verlief reibungslos.

Köln Hauptbahnhof

Tagebuchauszüge

Dienstag, 16.06.2009
06:15: Ich sitze im Airport Frankfurt-Hahn und warte auf den Abflug des Fliegers nach Santiago. Hahn hat übrigens mit Frankfurt ungefährt soviel zu tun wie Katen-Frackel mit Hamburg, nämlich gar nichts, ist eine ehemaliger Militärflughafen und liegt mitten im Hunsrück. Zum Glück fuhr ab 2:15 ein Bus ab Köln, doch die Wartezeit im nahezu geschlossenen Hauptbahnhof war öde. Und das mit dem ICE war wirklich ärgerlich. Na ja, man sollte besser aufpassen, auch beim Pinkeln.

19:47:Das Flugzeug landete pünktlich auf die Minute in Santiago. Ryan-Air ist stolz darauf, dass über 90% der Flüge planmößig oder früher landen. Zum zentralen Busbahnhof kam ich gut, fragte nach dem Bus nach Sarria, der Auskunfter sagte "sechs". Ich nahm an, es sei der Bussteig "sechs", er meinte aber 18:00 Uhr. Da ging ich lieber zum Bahnhof, denn das wären viele Stunden Aufenthalt gewesen. Ich nahm den Zug bis Monforte, da bin ich jetzt. Wollte mich nicht in Sarria gleich in den Pilgertrubel begeben, vielleicht noch eine volle Herberge antreffen. Hier, direkt gegenüber vom Bahnhof, habe ich ein ordentliches Einzelzimmer für 20 € bekommen. Ist schon ein komisches Gefühl, denn vor sechs Wochen habe ich bei der Heimfahrt, noch krankheitsgeschädigt, hier vor dem Haus gesessen und auf einen Anschlusszug gewartet.

Camino hinter Portomarin

Tagebuchauszüge

Mittwoch, 17.06.2009
Es hat alles toll geklappt, in einer halben Stunde war ich mit dem Zug in Sarria. Als ich in die falsche Richtung marschierte, hat mich gleich jemand eingewiesen. Aus Sarria raus ging es recht steil hoch, aber das wusste ich ja schon. Pause habe ich an dem kleinen Caravanstellpaltz in Barbadeilo gemacht. Übernachte in Portomarin im gleichen Hotel wie im Frühjahr, wo mich der Wirt zum Krankenhaus nach Lugo gefahren hat. Das Gefühl, wieder gesund zu sein, ist doch ein ganz anderes... Die Kirche ist hier übrigens das einzige alte Bauwerk. Als der Stausee angelegt wurde, verschwandt das alte Dorf im Wasser, nur die Kirche wurde abgetragen und oben wieder neu aufgebaut.

Kirche Portomarin

 

Bist du schon auf der Sonne gewesen?
Nein? - Dann brich dir aus einem Besen
Ein kleines Stück Spazierstock heraus
Und schleiche dich heimlich aus dem Haus
Und wandere langsam in aller Ruh
Immer direkt auf die Sonne zu.
(Joachim Ringelnatz, A.d.R.)

Rosen am Camino

18.06.2009 per SMS um 10:26
startete heute in portomarin im dicken nebel. habe gestern einen russen getroffen, der zu fuß von moskau kommt. mein schutzengel ist trotz 500 km entfernung recht nah: "Don't worry, your angel is next to you everytime. easy, only call me. muy buen camino! paqui "

per SMS um 11:55
der nebel hat sich verzogen. tolles wetter aber heiß, der schweiß fließt in strömen und das kaffeewasser kocht am leib.
Nebel hat sich verzogen

 

Wir hassen den Gestank,
wir mögen diesen oder jenen Geruch,
aber lieben ganz sicher den Duft.
Doch manchmal nur die frische Luft.
Erhard Blanck, deutscher Heilpraktiker, Schriftsteller und Maler

Cave canem! (Latein)
Nemm dich en aach füer dä Köter! (rheinisch)
Willy Meurer, deutsch-kanadischer Kaufmann, Aphoristiker und Publizist

20.06.2009 per SMS um10:52
wandere seit 2 tagen durch eine grüne hügellandschaft, schattige wälder mit intensivem eukalyptusduft. durch die dörfer zieht eher ein ländlicher stallgeruch.


ein österreicher ist von einem hund gebissen worden, sah böse aus, er meinte, es sei nicht so schlimm, weil die zähne nicht ganz drin waren.

Eukalyptuswald vor SantiagoCamino vor Santiago

21.06.2009 per MAIL um 21:15
Bisher laeuft wirklich alles optimal. Obwohl es unheimlich voll auf dem Weg ist, habe ich immer eine gute Unterkunft gefunden. Z.B. gestern: Arzua, das Zimmer war gut und das Abendessen super. Am naechsten Morgen brauchte ich nur um das Haus zu gehen und war schon auf dem Camino. Von Anfang an war der Weg angenehm, kaum Asphalt, immer in guter Entfernung von der Strasse. Die erste Einkehr kam spaeter als erwartet, war aber dann super. Habe fuer 3,50 Bocadillo mit Bacon und Kaese bekommen, war satt und konnte ueber die Haelfte noch einpacken. Dann hatte ich noch eine schoene Pause in Salceda, da traf ich eine Frau, die am Vortag 38 km gegangen war und jetzt absolut muede war. In Santa Irene bin ich an der Herberge vorbei gegangen, das war mein absolutes Glueck, denn eine halbe stunde spaeter kam ich nach Pino in Arcra. Da stimmte alles. Auch heute habe ich eine kluge Entscheidung getroffen. Bin in Lavacolla in einem preiswerten und schoenen Hotel, heisst San Paio. Habe eben mich und die Waesche gewaschen. Ich bin wieder trocken, Hose und Shirts brauchen noch.

Bocadillo BaconHotel O Pino Arca

Tagebuchauszüge

Sonntag, 21.06.2009
21:30 Der heutige Weg war wieder sehr schön, kaum Asphalt, wenig Sonne auf die Glatze bekommen, weil ich viel durch Wälder ging, wieder Eukalyptusbäume so hoch wie unsere Sauerländer Fichten. (Könnte jetzt Heinrich Lübke zitieren: "Sauerland ist überall.") Etwas öde war der Weg bei der Flugplatzumgehung, aber die Verlegung war wohl unvermeitlich, denn auf der Rollbahn würden die vielen Pilger doch nur stören. Die erste Bar erreichte ich kurz nach elf hinter dem Flugplatz in dem winzigen Ort San Paio. die Pause lohnte sich schon wegen der dicken spanischen Tortilla im Sandwich. Natürlich konnte man draußen sitzen. In der Nähe saßen einige Deutsche: Die Frau, die seit drei Tagen ihre Freundin verloren hatte und heute die Chance hatte, sie wiederzusehen, der Altrocker mit dem langen Bart und den Hard-Rock-Café-T-Shirt aus Orlando, die junge Frau von Mitte 20, die sich für die Pilgerreise eine Fastglatze hatte rasieren lassen und nun Bedenken hatte, mit dieser schnittigen Figur wieder ins normale Leben zurück zu kehren. Und dort in San Paio habe ich dann die weise Entscheidung getroffen, nur noch bis Lavacolla zu gehen. Das Hotel heißt auch San Paio, 27 € für ein großes, ruhig gelegenes Einzelzimmer. Ich bin rundum zufrieden.

Freude schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum!
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt.
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuss der ganzen Welt!
Brüder, überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen.

Friedrich Schiller

22.06.2009 per SMS um 09:28
ich bin auf dem monte do gozo, dem berg der freude, weil so viele pilger freudenschreie ausstoßen, wenn sie die kathedrale von santiago sehen.


Monte do Gozo

 

Tagebuchauszüge

Montag, 22.06.2009
09:45: Ich bin immer noch froh über meine Entscheidung, gestern im Hostal San Paio in Lavacolla zu bleiben. Was hätte es wohl gebracht, gestern in der Nachmittagshitze durch die Vorstädte von Santiago zu gehen und dann vielleicht noch Schwierigkeiten bei der Unterkunftsuche zu bekommen oder hier oben am Monte do Gozo in der 350 Betten Massenunterkunft zu übernachten? Ja, am Berg der Freude bzw. des höchsten Genusses bin ich gerade, muss aber sagen, man sieht Santiago, nicht aber die Kathedrale. die kommt nur an einem ganz bestimmten Punkt in Sicht, den suche ich aber nicht, weil die Stadt eh im Dunst liegt. Dafür habe ich mir das Denkmal von 1993 zur Erinnerung an die Papstbesuche angesehen. Einfach umwerfend hübsch hässlich...

Monte do Gozo

Zum Ziele
Keiner kann im leichten Spiel
Dieses Lebens Preis erjagen;
Fest ins Auge fass' dein Ziel,
Bis die Pulse höher schlagen
Und sich dir an Fuß und Hand
Wieder straff die Sehne spannt.

Und so wandre Schritt für Schritt
Den Gefahren kühn entgegen;
Hoch das Haupt und fest der Tritt
Und im Herzen Gottes Segen,
Auf der Stirn des Kampfes Schweiß:
So gewinnest du den Preis.


Julius Sturm ( 1816 bis 1896 ) A.d.R.
22.06.2009 per SMS um 15:47
bin eben in santiago angekommen. war richtig gerührt, als ich die urkunde bekam und die dame im pilgerbüro mir zu 612 km zu fuß gratulierte. morgen gehts weiter in richtung ende der alten welt, nach finesterre.

Gratulierefeuerwerk

Kathedrale Santiago de Compostella

Pilgerurkunde Compostella

Tagebuchauszüge

Montag, 22.06.2009
Nach dem Monte do Gazo war es nicht mehr so angenehm. Die öden Vorstädte begannen und hunderte von Pilgern strömten mit mir nach Santiago rein, durch die vielen Fußgängerampeln Stop-and-go-Verkehr. Manche mit ganz leichtem Gepäck, als seien sie eben kurz vor der Stadtgrenze aus dem Auto gestiegen, andere schwer beladen, Schleppend-Gehende, denen man die Fußleiden ansah, am Ortseingangsschild brach vor mir jemand in Tränen aus. In der Altstadt war ich kurz nach elf, erschlagen von dem Touristen- und Pilgerrummel. Ich freute mich, als die Franzosen mich ansprachen, ob ich ein Bild von ihnen machen könnte. Sie machten dann auch gleich zwei von mir vor der Kathedrale.

Diethelm Textoris vor Kathedrale Santiago

Die Pilgermesse um 12:00 Uhr war eine Massenabfertigung, das berühmte Weihrauchkessel-schwenken findet wohl nur sonntags statt. Von der Messe verstand ich nur die anfängliche Begrüßung und die wenigen Worte auf englisch. Sehr störend waren die vielen Touristen, die während des Gottesdienstes umherliefen, mehr oder weniger interessiert ein bisschen zuhörten und ununterbrochen Fotos machten. Obwohl Blitzlicht verboten war, störten sich viele nicht daran. Und doch hatte ich ein ganz eigenartiges Gefühl, das ich nicht erklären kann: Glücklich und traurig gleichzeitig, das hing wohl mit dem Erreichen des Zieles zusammen. Meine stille Einkehr fand ich dann doch noch, als der große Pilgerstrom die Kathedrale verlassen hatte.

Altar Kathedrale SantiagoWeihrauchkessel Kathedrale Santiago

Ganz in Kathedralennähe fand ich ein kleines, etwas abgelegenes Café, vor dem ich fast allein draußen saß, mir ein Bier gönnte und erst einmal tief Luft holte, um die Empfindungen zu ordnen. Nach dem Blick auf die Karte merkte ich, dass das Pilgerbüro gar nicht so weit war. dort musste ich wirklich die Freudentränen unterdrücken, als die junge Frau mir die Compostela überreichte und auf deutsch gratulierte.

Das Hotel Costavella, das Paqui mir empfohlen hatte, war leider voll, man wollte sich aber nach einem anderen Quartier für mich umsehen. Als ich darauf wartete, kam eine ältere deutsche Frau herein, die wegen ihrer Knieprobleme kaum noch gehen konnte. Sie hatte ein echtes Problem: Am Morgen hatte man ihr hier ein anderes Hotel empfohlen, sie hatte dort ihr Gepäck abgestellt, inzwischen aber vergessen, wo das Hotel ist und wie es heißt. Und im Costavella hatte inzwischen das Personal gewechselt. Das neue bemühte sich aber sehr, ihr zu helfen. Sehr nett war der junge Mann hinter dem Tresen. Er sprach deutsch, hatte sein Praktikum im Hotel im Centro Oberhausen gemacht und schwärmte von Deutschland. Inzwischen hatte man für mich ein anderes Hotel gefunden: Fonte die Roque. Das Zimmer ist zwar recht klein, der Preis ist für Santiago recht günstig.

Am Nachmittag ging ich nochmal raus. Vor der Kathedrale traf ich die junge Frau mit der Fastglatze wieder. Sie war insgesamt 5 Wochen unterwegs gewesen, hatte irgendwo auf der Strecke eine Isomatte gefunden und auch einige Male draußen geschlafen. Sie ärgerte sich immer noch, dass sie in Léon ihre Haare hatte nachschneiden lassen. Als ich später vor einem Café saß, kam ein Straßensänger. Ich bat ihn, mein Lieblingslied "La Paloma" zu spielen. Als er das tat, war ich zum zweiten Mal an diesem Tag gerührt.

Straßensänger Santiago

Weg nach Finisterre

23.06.2009 per SMS um 19:27
bin doch froh, dass ich noch nach finisterre und muxia gehe, denn gestern war ich beides: froh, in santiago zu sein und traurig, dass schon alles geschafft sein soll. auf diesem stück ist es schön ruhig, nur wenige gehen auch die verlängerung. gestern hunderte, heute kaum zwanzig.

Tränen aus Trauer oder vor Glück? Nur das Herz kennt die wirkliche Farbe, denn äußerlich sind sie transparent
Rita Kubla, (*1957), Künstlerin und Hobbyautorin

 

Tagebuchauszüge

Dienstag, 23.06.2009
Ich fand heute morgen aus Santiago gut heraus, an einer kritischen Stelle half mir ein älterer Herr, sonst hat der Führer die Strecke gut beschrieben. Der erste Teil des Weges war, wie angkündigt, semiurban. Zwei Anstiege waren nicht so ganz ohne. ich konnte sehr gut schwitzen, obwohl es weniger heiß war als gestern. Dafür war die Luftfeuchtigkeit ziemlich hoch. Nach Agua ging es nochmal richtig zur Sache, nämlich den Alto do Mar de Ovellas hoch, sehr schön war es an der restaurierten Mühle an der Ponte Maceira. Ich saß draußen und konnte auf die alte Brücke und den kleinen Wasserfall blicken. Die Frau mit dem kurzen Rock wunderte sich, dass auf diesem Stück so viele Deutsche unterwegs sind. Auch die Frau am Empfang im Hotel Tamara in Negreira fand es gut, dass ich aus Deutschland komme. Warum hat sie nicht erklärt. Das Hotel Tamara hatte sich schon Kilometer vorher angekündigt, aber nicht immer mit den richtigen Entfernungen gearbeitet. Tamara sieht von außen etwas steril aus, Zimmer ist aber i.O. und preisgünstig.

Puente MaceiraHotel Tamara Negreira

Längen und Zeiten sind relativ
Während die Lichtgeschwindigkeit für alle Beobachter gleich ist, ergibt die Relativitätstheorie, dass die gemessenen Längen und Zeiten vom
Bewegungszustand abhängen. Für einen bewegten Beobachter vergeht die Zeit langsamer und Entfernungen in Richtung der Bewegung (und auch der Gegenrichtung) sind verkürzt. Die Längen mitbewegter Objekte verändern sich jedoch nicht.
(Albert Einstein, A.d.R.)

25.06.2009 per SMS um 09:39
da hab ich gestern gedacht, ich hätte mit 35 km eine lange strecke zurück gelegt, da kommt jemand, der ist 43 km gegangen, zum schluss treffe ich den russen, der will nach 38 km noch 10 dranhängen. alles ist relativ: drei haare auf dem kopf sind relativ wenig, drei in der suppe relativ viel.Einstein

Tagebuchauszüge

Mittwoch, 24.06.2009
20:45: Bis erst vor 15 Minuten nach fast 35 Tageskilometern in Olveiroa eingetroffen. Ich glaube, ich habe gerade mit viel Glück das letzte Bett in der Gemeindeherberge ergatttert. Über dem Bett hing an einem Haken zwar eine M ütze, ich glaube aber nicht, dass die als Bettreservierung gedacht war. Jedenfalls habe ich sie erst einmal an einen anderen Haken gehängt.

Wider Erwarten habe ich heute morgen gut in Negreira den Einsteig gefunden. Zunächst ging es viel durch Wälder, leichte Anstiege inbegriffen. Eine Frau setzte sich gegen 10:00 Uhr erst einmal auf den Waldboden und rief ihrem Mann zu: "Ich kann nicht mehr, ich brauche eine Pause." Sie erzählten, dass sie gehört hatten, dass die Herberge in Negreira hoffnungslos überfüllt war. Da hatte ich mit dem Hotel Tamara doch die richtige Nase. In A Pena machte ich einen kleinen Abstecher bergauf zur Bar. Der Wirt sprach von allen Sprachen ein wenig, italienisch, englisch, deutsch. Er zeigte mir auch, wie ich ohne Höhenverlust wieder auf die Strecke kam. Eine etwas verspätete Mittagspause machte ich in Vilaserio, auch hier wieder Riesenportion Bocadillo mit Bacon und Käse. Ich traf auch das deutsche Ehepaar wieder, die Frau hatte sich etwas erholt. In der kleinen Bar hinter Santa Marina traf ich sie gegen halb fünf noch einmal, da hatten sie sich aber bereits ein Taxi bestellt. Sie hatten ein Hotel vorgebucht, das noch einige Kilometer entfernt und nicht direkt an der Strecke lag. und das war ihnen jetzt zu weit. Hinter Bon Xesus habe ich dann noch eine kleine Kür von etwa 2 Kilometern gemacht, weil ich offenbar falschen Pfeilen folgte, aber in Lago hatte ich den Camino wieder. Ein paar junge Damen in einem Auto hatte einem Riesenspaß, als sie anhielten und kurz mit mir sprachen. Gegen halb acht kam ich an der alten Brücke Puente Alviera an. Direkt dahinter hatte ein neues Restaurant mit Bar aufgemacht. Ich war rechtschaffen kaputt von den 33 Kilometern und musste trotz der fortgeschrittenen Zeit erst einmal eine halbe Stunde Pause und machen und die Beine ausstrecken. Die letzten 2 km waren danach kein Problem mehr.

Mais- und KornspeicherGalicische Landschaft bei Lago

21:30: Das Bett war wirklich frei, ich habe auch Einwegbettwäsche von der freundlichen Herbergsverwalterin bekommen. Die beiden Deutschen begrüßten mich als alten Bekannten, vielleicht haben sie mich wirklich schon einige Male gesehen oder getroffen oder sie haben mich verwechselt. Und jetzt noch das tolle Abendessen in der Bar "As Pias". Von der Gemüsesuppe bin ich eigentlich schon satt, und gerade wird gerade noch eine Riesenplatte mit verschiedenen Fleischsorten (Landesspezialität) aufgetragen. Wie soll ich das schaffen? Auf dieser Tour nehme ich bestimmt zu.

Riesenportion Olviera

Tagebuchauszüge

Donnerstag. 26.06.2009
21:10 Uhr: Ich bin im Hotel Larry in Cée. Ein supernetter Wirt. Das Kochen erledigt er nebenbei. Immer wieder fragt er, ob das Essen auch schmeckt und freut sich riesig, wenn es gelobt wird. Es war wirklich spitzenmäßig, vor allem die Fischplatte war ein Gedicht. Da bin ich auch heute wieder bis oben hin vollgefressen. Zum Schluss bekam ich noch einen Kaffee hingestellt, in dem der Löffel stand. Zur Verdünnung stellte mir der Wirt eine Flasche "Feuerwasser", wie er sie bezeichnete, auf den Tisch. An der konnte ich mich bedienen. Der Pilger, der gerade reingekommen ist, bekam sein Bier umsonst. Er hatte unterwegs einige Male Pech mit überfüllten Unterkünften, war nach Finisterre gegangen, hat dort ein Zimmer für sich und seine Freundin, die morgen kommt, gebucht und ist jetzt mit dem Bus zurück gekommen.

Cée Hotel Larry

Kreischende Möwen
Wellenschlag folgt Wellenschlag
Das Meer singt sein Lied.

EPROM, (*1941), deutscher Hobby-Dichter und Aphoristiker
Blick aufs Meer hinter Cee

26.06.2009 per SMS um 07:51
gestern konnte ich von einer anhöhe zum ersten mal das meer sehen. übernachtung an der bucht von corcubion. lautes möwengeschrei.

Strand vor Fisterre

Tex am Finisterre

27.06.2009 per Mail um 18:41
gestern Nachmittag war es so weit: habe den Leuchtturm von Finisterre erreicht, nachdem ich an einigen schoenen Straenden entlang gegangen bin. Habe jetzt schon die zweite Urkunde bekommen. Mache heute im Ort einen Tag Pause, morgen sind es noch 28 km bis Muxia, von dort fahre ich mit dem Bus zurueck nach Santiago.Heute Nacht war noch mehr Moewengeschrei als gestern, musste mir sogar Stoepsel in die Ohren stopfen.

Leuchtturm Finisterre

Tagebuchauszüge

Freitag, 26.06.2009
Es war ein schöner Tag mit tollem Wetter. Heute morgen habe ich eine tolle Pause in einem Strandcafé an der Bucht gemacht. Saß gerade eine Viertelstunde, da kam die deutsche Gruppe von gestern. Sie hatten auch in Cée übernachtet und meinten: "Hier wäre es auch super gewesen." Von der Terrasse hatte man einen tollen Strandblick. Anschließend kam leider eine Umleitung über die Straße. Am Parkplatz traf ich das Kölner Paar mit der etwas schwächelnden Frau wieder. Die war heute gut gelaunt, weil das Ziel greifbar nahe war.

Strandcafé Bucht von SardineiroTex im Strandcafe Sardineiro

In Finisterre machte nur eine ganz kurze Pause, weil ich dringend eine Toilette aufsuchen musste. Dann ging ich durch bis zum Kap. Leider ging der Weg die letzten drei Kilometer an der Straße entlang. der Verkehr hielt sich allerdings in Grenzen. Dann stand ich endlich hinter dem Leuchtturm und damit am Ende der alten Welt. Nach altem Brauch müsste ich hier die während der Pilgertour getragenen Kleider verbrennen und ins Meer springen, um mich zu säubern. Beides wagte ich nicht zu tun. Zurück in Finisterre bekam ich dann in der Pilgerherberge die Anschlussurkunde, sehr farbenprächtig, dekorativer als die Compostela. Habe noch einen Tag Luft und werde morgen eine Pause einlegen.

Finisterre

 

Tagebuchauszüge

Samstag, 27.06.2009
Unter meinem Fenster war ein Möwennest. Die Möwen haben in der Nacht und besonders gegen Morgen ganz schön Krach gemacht. Bin ich froh, dass ich mich heute für einen Ruhetag entschieden habe. Heute morgen war die Rezeption und auch die Bar im Hotel Mariquito bis 10:00 geschlossen. Da wäre ich aber schlecht weggekommen. Habe heute morgen die Kölner wiedergetroffen, die haben für ein paar Tage gebucht, sind aber ein wenig von Hotel enttäuscht, weil es wohl laut ist und sie vermissen einen großen Strand. Doch die schönsten Strände waren wohl alle vor Finisterre. Den Bekannten aus Olveiroa habe ich auch wiedergetroffen. Er heißt Ulrich Barthelt, kommt aus Wallersheim bei Koblenz und gehört der Wandervogelbewegung an. Er ist eines der Rationalisierungs-Opfer von Hartmut Mehdorn, und zwar in der Zeit, als der noch bei RWE war. "Peng" (Spitznahme) erzählte viele Geschichten aus seiner beruflichen Tätigkeit z.B.am AKW bei Andernach. Er ist jetzt aber Rentner.

Möwe mit Jungen Hafen Finisterre

Fluss als Telefonkiller

Wer Pech hat, ersäuft auch in der Pfütze.

Altes Sprichwort

 

28.06.2009 per Mail um 19:21
Aldi und Lidl stehen unter Wasser: Ich habe es am letzten Wandertag noch geschafft, beide Handys zu fluten. Musste einen Fluss ueberqueren, der tiefer war, als erwartet. Ich hatte zwar die Schuhe ausgezogen, doch dann erreichte das Wasser den Bereich der Oberschenkel, wo sich die intimen Geraete wie Handy und Geldboerse befinden. Ergebnis: Mobiltelefone sagen nichts mehr, Geld wurde gewaschen. Bin also bis auf weiteres nicht zu erreichen.
Heute habe ich bei herrlichstem Wetter Muxia erreicht, und das, obwohl Sturm und Regen angesagt waren. Das war der letzte Wandertag, und der hat sich nochmal richtig gelohnt. Der Weg ging durch eine huegelige Heidelandschaft, man konnte immer wieder das Meer sehen und hoeren, und zum Schluss die schoene Kirche Santurio de A Barca im Gegenlicht, dahinter der schaeumende Ozean.
Morgen gehts dann mit dem Bus nach Santiago zurueck, Dienstag frueh startet der Flieger.

Tagebuchauszüge

Sonntag, 28.06.2009
12:07: In der Nacht hat es unheimlich geregnet, gegen Morgen gab es wieder ein unheimliches Möwengeschrei, Hitchcock lässt grüßen. Es waren wohl die Kleinen, die gefüttert werden wollten. Mit dem Zimmer im Mariquito war ich insgesamt nicht zufrieden, verhältnismäßig teuer, und gegen Nachmittag stank es aus dem Abfluss, es ging nach hinten raus, so dass ich keinen Meerblick hatte. Am Morgen war der Himmel noch stark bewölkt, später kam die Sonne durch und es wurde wieder warm. Die Luftfeuchtigkeit ist noch recht hoch.Ich traf heute morgen eine Frau, die ein wenig eingeschweißt roch und einen Marlene-Jaschke-Hut trug. Sieht etwas alternativ aus mit der schlabbernden Hose und dem Rock darüber.

Marlene Jschke HutMuxia Ortseingang

20:30: Heute zahle ich nur 12 € für das Zimmer, weil aus einer Bar heraus Opa und Oma mich eingefangen haben und fragten, ob ich eine Unterkunft suche. Zimmer ist einfach, Wasser, Bad und Toilette gegenüber. Rita hätte es wahrscheinlich nicht genommen, aber mir reicht es.

Privatzimmer MuxiaBadidylle in Muxia

Zum heutigen Pech mit den Handys will ich jetzt nichts mehr schreiben, nur soviel: Pech, wenn man ein bisschen blöd ist. Die Japanerin, die mich nach dem Fluss ein Stück begleitete, sprach gut englisch. Sie hat in Japan eine Jakobusgesellschaft gegründet und will jetzt in Madrid spanische Freunde besuchen. Sie spricht auch gut spanisch und liebt dieses Land.

Der Mann im Touristenbüro war sehr freundlich und hilfsbereit, bei ihm bekam ich Urkunde Nummer drei. Der Weg zum Santuario de la Virxe da Barca lohnte sich auch, eindrucksvoll, die Kirche im Gegenlicht und dahinter den hellen Ozean mit dem sich reflektierenden Licht zu sehen.

Santuario de la Virxe da Barca

Monument muxia Heiligtum Virxe da Barca

Felsen am Ende von Muxia

Jede Reise, jede Wanderschaft ist ein Aufbruch zu neuen Ufern, ein Sprengen der Ketten, die uns an den Felsen des Alltäglichen und Gewohnten schmieden.
Dr. Carl Peter Fröhling, (*1933), deutscher Germanist, Philosoph und Aphoristiker

Man muß das Glück unterwegs suchen, nicht am Ziel, da ist die Reise zu Ende.
Deutsches Sprichwort

 

Zum Bericht in der Westfälischen Rundschau
vom 08.07.2009 bitte hier klicken