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Alpencross 2006  
Riemannhaus
Das Riemannhaus im Steinernen Meer

Auf dem Ruperti-Weitwanderweg vom Untersberg bis zu den Karnischen Alpen

Von Glanegg zum Königssee- tolle Ausblicke und unterschiedliche Arten der Gastlichkeit
 
„Man kommt nach einer Wanderung nie so zurück, wie man  losgegangen ist“, meint mein Wanderfreund Odo Strieder. Gerade hat er sich mühsam aus dem Schnee befreit, in den er beim steilen Abstieg vom Reißeck mit seinem schweren Rucksack bis zu den Oberschenkeln eingesunken war. Die spitzen Felsen unter der Oberfläche haben seine Beine aufgekratzt  und einige blutige Risse in der  Haut hinterlassen. „Aber trotzdem brauche ich diese Herausforderungen.“

Odo Strieder zerschundene Beine

Wir sind in Salzburg gestartet, genauer gesagt in Glanegg, wollen Österreich auf dem Ruperti-Weitwanderweg von Nord nach Süd durchqueren, in Höhen bis zu 2500 Meter vordringen und in den Tauern den Alpenhauptkamm überschreiten. Sicherlich eine Herausforderung für zwei Wanderer, die soeben das 62 Lebensjahr erreicht haben. Schon der erste Tag hat es in sich: 1.200 Höhenmeter sind bis zum Zeppezauer Haus auf dem Untersberg zu bewältigen. Leider starten wir nach einer langen und heißen Autofahrt um 16:00 Uhr mit einem Flüssigkeitsdefizit. Das am Beginn des sogenannten Reitsteigs eingezeichnete Gasthaus existiert seit Jahren nicht mehr. Der Weg geht fast senkrecht hoch, Holzstämme erleichtern als Treppenstufen den Aufstieg. Wasser gibt es nicht. Mein Mitwanderer Odo ist an diesem Tag deutlich langsamer als ich, was an seinen ärztlich verordneten Betablockern liegen kann, was aber viel eher auf den Flüssigkeitsmangel zurückzuführen ist.

Reitsteig zum UntersbergReitsteig zum Untersberg

Ich komme als erster gegen 20:00 Uhr an der Schutzhütte an. „Haben Sie noch ein Nachtlager für zwei müde Alte?“ frage ich den Hüttenwirt. „Ich sehe nur einen“ entgegnet dieser. „Geben Sie mir etwas zu trinken mit, und ich werde Ihnen den zweiten präsentieren.“ Mit zwei Flaschen Bier als leichtes Gepäck gehe ich meinem Kollegen entgegen. Nach 20 Minuten bin ich bei ihm, wir stoßen auf den Rest des Aufstiegs an. Odo leert die Flasche mit wenigen Zügen. Klar, dass er nach diesem Auftanken noch vor mir die Hütte erreicht?

Bier am ReitsteigBier vor Zeppezauer Hütte

„Ich hätte gewettet, dass ich heute keiner mehr kommt, als meine einzigen Gäste bekommt ihr das schönste Matratzenlager des Hauses mit Blick auf den Sonnenaufgang“, meint der Hüttenwirt Sepp. Trotz der fortgeschrittenen Zeit bietet er uns einen Komplettservice mit  Backerbsensuppe und Gulasch als Abendessen. Er setzt sich zu uns, und wir plaudern angeregt, über alte Zeiten, als noch die Kati Schmidt Hüttenpächterin war, über den Anbau mit dem neuen Eingang, über die Modernisierung und die Ausstattung mit einer Dusche. Nach wie vor wird die Hütte über die Seilbahn versorgt, in großen Tanks wird das Trinkwasser herauf, in ebensolchen das Brauchwasser hinab befördert.  Als er müde ins Bett geht, lässt er „in Kommission“ noch soviel Getränke auf dem Tisch stehen, dass wir unseren Flüssigkeitsbedarf mehr als ausgleichen können. Am Morgen bekommen wir ein Frühstücksbuffet geboten, ein Service, den wir bisher noch auf keiner Berghütte erlebt haben.

Bier auf Kommission

Bei herrlichem Sonnenschein genießen wir am kommenden Tag den Panoramablick ins Tal. Der weitere, ebenfalls aussichtsreiche Weg führt über den  Salzburger und den Berchtesgadener Hochthron zum Königssee, den wir am Abend kurz vor 21:00 Uhr erreichen. An diesem von Touristenströmen verwöhnten Ort finden wir das Gegenteil der gastfreundlichen Hütte vor: ein überteuertes kleines Zimmer mit Blick auf eine enge Gasse, weder in unserem Hotel noch in den angrenzenden Restaurationsbetrieben ist man bereit, uns zu dieser „späten Stunde“ noch etwas zu essen anzubieten. Uns bleibt nur das „Weltmeistermenü“ beim bekannten Fastfood-Anbieter in der Nähe des Großparkplatzes. Der Burger sorgt bei Odo für eine relativ schlaflose Nacht und Übelkeit und Übergeben am nächsten Tag. Das liegt sicherlich nicht so sehr an der schlechten Qualität der Mahlzeit, sondern eher an Odos grundsätzlicher Ablehnung gegenüber dieser Art von Ernährung. Schließlich habe ich das Gleiche ohne die geringsten Probleme gegessen.

Vor Zeppezauer HütteUntersberg

Vom Königssee nach Rauris- Schneefelder, Regen, steile Auf- und Abstiege und gemütliche Einkehr- und Übernachtungshäuser

Morgens fahren wir  mit dem ersten Schiff nach St. Bartholomä. So können wir den See und den idyllischen Ort ohne Touristenrummel erleben. Im Biergarten der historischen Gaststätte sind wir die einzigen Gäste. Danach geht es auf der Route 410 aufwärts. Das Grün des Königssees unter uns lassend, kommen wir am tosenden Schrainbach Wasserfall vorbei, passieren die verfallene Unterlahner Alm und begegnen beim Einstieg in die serpentinereiche Saugasse einem Tageswanderer aus dem Münsterland, der sich trotz seiner drei Bypässe hier hinaufgetraut hat.

St Bartholomae am KönigsseeAufstieg zum Kärlinger Haus

Am Nachmittag erreichen wir das Kärlinger Haus am Funtensee in 1652 Meter Höhe, verbringen einen gemütlichen Abend bei gutem Essen in der urigen Gaststube. Nur beim Frühstück ärgern wir uns ein wenig, als wir für eine Tasse Kaffee, zwei Scheiben Brot, etwas Wurst, Käse und Marmelade 7,50 € bezahlen müssen. Da sehen wir uns nach dem Zeppezauer Haus zurück. Die weitere Wanderroute führt über das noch von Schneefeldern durchsetzte Steinerne Meer zu dem wie ein Adlernest am Felsen klebenden Riemannhaus in 2117 m Höhe. Nach einer ausgiebigen Mittagsrast folgt dann ein atemberaubender Steilabstieg, teilweise mit Stahlseilen gesichert,  nach Maria Alm. 

Schneefelder im Steinernen MeerAbstieg nach Maria Alm

Wir verlassen Maria Alm morgens bei Nieselregen, der sich im Laufe des Tages in einen Landregen verwandelt. Odo hat sich an die Spitze gesetzt und ist schon bald im Nebel verschwunden. Da wir über Wirtschaftswege gehen, gibt es keine Orientierungsprobleme, so dass wir auch getrennt marschieren können. An der Wastl-Alm möchte ich gerne einkehren, um ein bisschen Schutz vor dem Regen zu suchen. „Heute geschlossene Gesellschaft“ sagt ein Schild an der Eingangstür. Doch ich erkläre das schlechte Wetter für eine Notsituation und verhandele erfolgreich mit den Wirtsleuten. Auf der überdachten Terrasse bekomme ich nicht nur etwas zu trinken, sondern auch ein deftiges Speckbrot zu essen.  

Wolken Über Maria AlmJause an der Wastl Alm

An der Lohning Alm will ich erneut einkehren, denn inzwischen bin ich bis zum Unterhemd nass „Bin bei den Kühen! Rosi“ sagt das Schild an der Eingangstür. Gerade als ich mich enttäuscht abwenden will, dreht sich der Schlüssel und ich werde hereingebeten. „Ich habe doch draußen Geräusche und jemanden singen gehört.“ Der Ofen ist eingeheizt. In der Gaststube kann ich mich aufwärmen, meinen Anorak ausziehen und das nasse Hemd trocknen. Rosi wechselt im Nebenraum die Hose, weil „die andere so nach den Kühen riecht.“  In  dem anschließenden Gespräch erfahre ich viel über das Leben einer jungen Frau auf der Alm, auf der sie den gesamten Sommer verbringt. Ich erzähle von meinen Wanderungen bis hin zu den kanadischen Rockies und dem nächtlichen Bärenbesuch in der kalifornischen Sierra Nevada. Doch dann muss ich weiter, Odo macht sich bestimmt schon Sorgen um mich.

Rosi von der Lohning AlmAussicht am Hundstein

„Ich bin schon seit zwei Stunden hier“, meint Odo, als ich kurz vor dem Dunkelwerden das Statzer Haus am Hundstein in 2117 m Höhe erreiche. Er ist wegen des schlechten Wetters durchmarschiert. Als ich von meinen beiden  Einkehrgelegenheiten berichte, wird er fast neidisch. Während draußen ein Unwetter niedergeht, sitzen wir gemütlich beim Wein. Hans Hasenauer, der schon 30 Jahre als Hüttenwirt hier oben arbeitet, hat nach unseren Wünschen ein Abendessen zubereitet. Ich bekomme „Beuschel“, eine österreichische Spezialität aus Innereien, die gut schmeckt, obwohl sie aussieht, als hätte sie vor mir schon ein anderer gegessen. Die Hüttenwirtin Gustl, die wir grüßen sollen,  lernen wir an diesem Abend nicht kennen. Sie musste im Tal einen Arzt aufsuchen.

Gulasch mit KnödelBeuschel

Beim Abstieg nach Taxenbach bessert sich das Wetter zusehends, doch der Weg bergab geht in die Knochen, unzählige Kehren, mit denen man viele Kilometer macht, aber wenig an Höhe gewinnt. An einer Stelle haben wir uns dann noch verlaufen, ein Bauer zeigt uns den Steilabstieg über seine Wiese. Die Kitzlochklamm auf dem Weg nach Rauris ist leider gesperrt, weil eine Brücke weggeschwemmt ist. Das erfahren wir durch ein Schild, aber leider erst, als wir zwei Kilometer zur Klamm marschiert sind. Frustriert kehren wir um, nehmen den Weg an der Salzach entlang zum Bahnhof Taxenbach und von dort einen Bus nach Rauris.

Gesperrte KitzlochklammNationalparkhaus in Rauris

Von Rauris bis Hermagor- eine urige Alm und ein glücklicherweise nicht folgenschwerer Irrtum

Nachdem wir vom Gasteiner Tal über das Angertal zur Miesbichlscharte aufgestiegen sind, nehmen wir den Weg abwärts zum Bockhartsee, an dem eine riesige Baustelle für weithin hörbaren Lärm sorgt. In Sportgastein übernachten wir in 1630 m Höhe auf der Viehauser Alm. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein:  Strom wird mit einem Dieselaggregat erzeugt, Wasser zum Trinken, Waschen und Zähneputzen gibt es an der Viehtränke, erst kürzlich ist das Trockenklosett gegen ein einfaches WC ausgetauscht worden. Abends sitzen wir beim Gaslicht in der großen Stube, machen Eintragungen in unsere Reisetagebücher, während sich die Sennerin der Buchführung widmet. Am späten Abend trifft auch ihr Mann ein. Er hat den umliegenden Almen einen Besuch abgestattet und bei den angebotenen Getränken wohl nicht nein gesagt. Jedenfalls ist er nicht sehr gesprächig und zieht sich sehr schnell zum Schlafen zurück.

Viehauser AlmViehauser Alm innen

Wir brauchen das einzige Fremdenzimmer mit etwa acht teilweise rotkariert bezogenen Betten in dieser Nacht mit keinem anderen Gast zu teilen. Um halb sechs Uhr morgens werden wir vom Geräusch der Melkmaschine geweckt. Danach wird die Butterzertifuge in Bewegung gesetzt. Zum Frühstück bekommen wir bereits die frisch zubereitete Butter serviert. Die Morgenmahlzeit ist so reichlich, dass wir mehr als die Hälfte davon für den Weg einpacken können. Für Unterkunft und Frühstück bezahlen wir gerade mal 10 € pro Person.

Schlafraum Viehauser AlmFühstück auf der Viehauser Alm

Danach machen wir uns auf den Weg zur Hagener Hütte (2446 m) am Alpenhauptkamm, überschreiten die Grenze nach Kärnten und erreichen noch am gleichen Tag Mallnitz an der Tauernbahn. Die mit 10 Stunden angegebene Reißeckroute sparen wir aus, nicht nur, weil es sich um eine überaus anstrengende Etappe ohne Einkehrmöglichkeiten handelt, sondern auch, weil in diesem Jahr noch viel Schnee liegt und an diesem Tage dichter Nebel die Sicht behindert. Stattdessen nehmen wir in Kolbnitz den Schrägaufzug zum Reißeck Hotel.  Von dort gehen wir zur Reißeck-Hütte unterhalb der Staumauer, dann über gewaltige Felsen relativ weglos hinauf zur Rossalmscharte und auf ebensolchem Weg hinab zu einem kleinen See, den wir im Nebel aber erst in dem Augenblick erkennen, als wir schon an seinem Ufer stehen. Danach wird der Untergrund begehbarer, trotzdem sind wir froh, als wir am frühen Abend die private Kohlmeierhütte erreicht haben und die Wirtin uns nach kurzen Zögern aufnimmt. 

RossalmscharteKolhmeierhütte 

Auf dem Streckenabschnitt zwischen Stosia und Weißensee will Odo vorgehen: „Wir sehen ans auf der Alm ‚Am hinteren Brunn’“. Doch er sitzt nicht in der Gaststube. Zur Kontaktaufnahme mit dem Handy muss ich leider erst den Akku aufladen, auf einen kleinen Anhöhe reicht dann der Empfang für eine SMS. „Treffen uns im "Kärntner Hof" am Weißensee. Habe mich verlaufen.“  Odo hat einen Abzweig verpasst und ist in ein falsches Tal abgestiegen. Als er glaubte, fast am Weißensee zu sein, machte ihn ein Autofahrer darauf aufmerksam, dass dieser 35 Kilometer entfernt liegt. „Sie können ihn aber über Waldwege in 3 bis 4 Stunden erreichen.“ Nach einigen Verhandlungen und 20 € Aufwandsentschädigung erklärte sich der freundliche Mann bereit, meinen Mitwanderer mit dem Auto ans Ziel zu bringen und benutzt diese Fahrt als willkommene Gelegenheit, seine Freundin zu besuchen, die im genannten Hotel arbeitet.  

Kärntner Hof am WeißenseeWeißensee

Nach insgesamt zwei Wochen erreichen wir unser Ziel Hermagor in den Karnischen Alpen. Wir haben gut 260 Kilometer zurückgelegt und im Durchschnitt mehr als 1.000 Höhenmeter Aufstieg pro Tag bewältigt. Trotz mancher Anstrengungen hat diese Tour sehr viel Spaß gemacht, zumal wir keine ernsthafte Konditionsprobleme hatten. Hochgebirgswandern ist eben auch im fortgeschrittenen Alter die schönste Art, „high“ zu sein. Wir beschließen, unseren „Alpencross“ in nicht zu ferner Zukunft fortzusetzen, dann wollen wir von der italienischen Grenze über Slowenien nach Triest wandern. Sofern die Gesundheit weiterhin mitmacht.

Naggler AlmHermagor

Informationen zum Weg

Der Ruperti-Weitwanderweg 10 mit einer Gesamtlänge von 645 Kilometern beginnt im Böhmerwald. Wir wanderten den alpinen Teil von Salzburg bis Hermagor. Da wir die Reißeckroute ausließen, blieben wir knapp unter der 2.500 m Grenze und legten von den alpinen 300 Kilometern etwa 260 zurück. Wir waren nahezu jeden Tag von morgens bis zum späten Nachmittag oder frühen Abend unterwegs, nutzten vorhandene Einkehrmöglichkeiten, machten je nach Bedingungen auf manchen Abschnitten aber auch nur wenige oder kurze Pausen. Wir empfanden Weg als weitgehend ungefährlich, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sowie eine gute Kondition sind aber unserer Meinung nach unbedingt erforderlich.. 

Wir benutzten den Führer von Wurst/Rachoy/Feix: Böhmerwald-Gasteiner Tal- Karnische Alpen aus dem Syra Verlag Graz, Wien Köln aus dem Jahre 1981, der heute noch zu gebrauchen, aber wahrscheinlich nur noch als Antiquariat zu bekommen ist.

Mit den Karten aus dem Verlag Freytag und Bernd machten wir gute Erfahrungen, weniger zu empfehlen waren wegen verschiedener Ungenauigkeiten die Kompass-Karten. In den meisten Bereichen ist die Markierung gut bis zufriedenstellend, von Rauris bis zur Seebachalm jedoch äußerst mangelhaft.
  

Erschienen (gekürzt) in den "Ruhr-Nachrichten" Dortmund, Ausgabe Lünen, am 30. August 2006 und in der Zeitschrift "Der Weit- und Fernwanderer" Nr. 82, 1/2007